Der Spaziergang beginnt am Alten Rathaus Marzahn. Es ist ein Beispiel dafür, wie Architekten und Ingenieure begannen, mit der Platte zu spielen und sie neu zu gestalten. Nach den Entwürfen von Wolf Rüdiger Eisentraut, Karla Bock und Bernd Walther wurde es 1986-1988 gebaut und 2008 unter Denkmalschutz gestellt.

Einem vorgelagerten fünfgeschossigen Wurf wurde hinten ein zweigeschossiger Verwaltungstrakt mit vier kleinen Lichthöfen angeschlossen. Nicht sichtbar ist die Konstruktion des Gebäudes, die dem Bau im Rahmen des massenhaften Plattenbauens eine eigene Dimension verleiht. Das Gebäude ist ein kubisch-geometrischer Stahlskelettbau, dem eine gestalterisch mittige Achse gegeben wurde. Der Bau ist von traditionellen Rathäusern inspiriert und folgt deren oft festlicher Erscheinung. Sichtbar wird das am mittig angeordneten Balkon und dem darüber befindlichen Stadtteilwappen. Die Fassade wurde aus Betongroßtafeln mit Spaltklinkermusterung gefertigt. Die Klinkerfassade zeigt stilisierte Ähren aus dem Stadtbezirkswappen. Die Plattenelemente sind vor das Stahlskelett gestellt und mit ihr verbunden. Somit ist ein offener Innenraum mit einem empfänglich anmutenden, lichten Treppenhaus und umlaufenden Galerieebenen sowie einem großflächigen Oberlicht möglich geworden. Dieses Foyer hat empfangenden Hofcharakter und ist begrünt. In jedem seiner Geschosse lassen sich heute Kunstausstellungen umsetzen. Das Plattenbaugebäude ist teilunterkellert. Vor den Amtsstuben finden sich überall im Treppenfoyer Sitznischen, die eindrucksvoll den Gestaltungswillen seiner Autorinnen und Autoren belegen. Der Bau lebt von der Ambivalenz von moderner Bauweise und historischer Anmutung. In diesem Flair ist eine räumliche Vorstellung von Demokratie erkennbar, wie sie wenige Monate nach der Eröffnung des Rathauses Wirklichkeit werden sollte.  Das Rathaus entstand in der Schlussphase der DDR von 1986 bis 1988 in der allgegenwärtigen Plattenbauweise. Am 10. Januar 1989 fand die Eröffnung statt. So wurde der nicht uninteressante Bau nur kurze Zeit der Dienstsitz des damaligen SED-Bürgermeisters Gerd Cyske.

Das Rathaus darf zu den anspruchsvolleren Bauten der späten DDR gezählt werden. Es gilt als eines der wenigen Rathäuser, die konsequent in Plattenbautechnologie und Mischbauweise erstellt wurden. Hier wird erkennbar, die Platte konnte die Architekten auch beflügeln, doch noch etwas hinzubekommen mit dem angeblichen Schema Platte. Der Rathausbau zeigt in unserer Plattensammlung Eigensinn im Rahmen der damaligen Möglichkeiten.

Derzeit wird das Rathaus umfassend saniert. Das Bezirksmuseum Marzahn-Hellersdorf im Dorf Alt-Marzahn zeigt noch bis zum 3. November 2024 eine Ausstellung mit dem Titel „Zweifach war des Bauens Lust“ über das Werk von Wolf R. Eisentraut. Dort finden Interessierte auch umfangreiche Informationen zum Bau des Rathauses.

Bild oben: Ole Bader